Ahavans Augen glitzerten amüsiert auf, als sie ihn so über den Prinzen sprechen hörte. Es tat in gewisser Weise gut, dass noch jemand die offensichtlichen charakterlichen Fehler des Prinzen nicht gut zu heißen schien. Allerdings, Ahavan war auch kein Idiot. Schon viele Frauen hatten so reagiert wie Ruby, nur um letztendlich doch eine Nacht mit dem Barden zu verbringen. Verstand einer die Frauen! Er jedenfalls tat es nicht. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie wahr der Kern ihrer Aussage tatsächlich war. Man würde sehen.
Er ging nun voran durch den Tunnel und je höher sie kamen, desto leiser bewegte er sich. Immer wieder verharrte er lauschend. Hörte auf das, was draußen vor sich gehen mochte. Doch nur eine gespenstische Totenstille antwortete. Früher hatte man hier schon den Lärm einer lebendigen Stadt wahrgenommen, dumpf aber unverkennbar. Man, er hatte Patria und vor allem die Hexen wirklich gehasst, aber das ...! Nein, so hätte es mit ihnen nicht enden dürfen. Mit ihnen allen nicht. Kurz grübelte er darüber nach, was sie wohl oben erwarten würde. Er war schon einmal wieder in Patria gewesen und es war erschreckend für ihn gewesen, wie leer alles war. Zumindest die Teile, die von der einstmals stolzen Stadt noch standen. Der Stadtring mit seinen Toren zum Beispiel war nun durchlöchert wie ein Käse. Nicht mal die Leichen hatten sie zurückgelassen, die bewiesen hätten, dass die Stadt einmal bewohnt gewesen war. Es war selbst ihm unheimlich. Ein Grund mehr, sich zu beeilen. Teile der Orden standen noch, zumindest, als er das letzte Mal nachgesehen hatte. Doch der Priesterinnenorden sah schlimmer aus als der der Amazonen. Nur der Hexenorden war ebenso verwüstet worden. Ahavan nahm an, es hatte damit zu tun, dass die Priesterinnen einer Göttin gedient hatten, die Zûl verachtete und im Heerlager hatte er aufgeschnappt, dass seine schlimmsten Waffen, die Entweihten, anfällig für Magie wären. Vielleicht, hatten sie so ihre Überlegenheit demonstrieren wollen. Möglicherweise standen die Laboratorien der Hexen noch, weil sie unter der Erde gewesen waren. Da hatte er sich aus bekannten Gründen, bisher nicht heruntergetraut. Bei den Priesterinnen würden sie sehen müssen. Er hatte nur einen kurzen Blick auf die Orden geworfen, bei seiner letzten Erkundung, konnte aber mit Sicherheit sagen, dass dem Priesterinnenorden in jedem Fall ein paar Stockwerke abhanden gekommen waren.
"Immer nach euch, mein Herr," sagte sie schließlich riss ihn so aus seinen Überlegungen. Er strafte sie, mit einem weiteren spöttischen Lächeln und hochgezogenen Augenbrauen, sagte aber ansonsten nichts. Stattdessen lauschte er an der Tür. Alles still. Vorsichtig betätigte er den Mechanismus, der den Blick in Megaras Keller freigab, wo bis vor kurzem ein sogenanntes Flüchtlingsheim beherbergt gewesen war. Eine ihrer vielen Tarnungen, um ihre Existenz zu verschleiern. Jetzt jedoch ... er unterdrückte das Bedürfnis zu seufzen. Es war ganz einfach nicht angebracht. Er wartete, bis Ruby auch hindurch war und verschloss den Eingang zur Gilde wieder. Schnell schlüpfte er von Schatten zu Schatten Richtung Stiege und hoffte, Ruby würde ihm das gleich tun. Die Treppe hatte schon bessere Tage gesehen. Zûls Anhänger oder aber die Verteidiger waren auch hier mit brachialer Gewalt vorgegangen. Einige der Stufen waren zerbrochen, verkohlt oder fehlten. Noch dazu knarrten sie in der Totenstille fürchterlich laut. Ahavans Puls beschleunigte sich, seine Muskeln spannten sich an, wie bereit zum Kampf. Unweigerlich glitten seine Finger über die Halterung an seinem Handgelenk in der seine Waffe steckte. Er hatte gesehen, wie nutzlos Metall gegen gewisse Kreaturen Zûls war. Deswegen mussten sie schnell sein und sich in den Schatten aufhalten. Er gab Ruby ein Zeichen, sich unter eines der Fenster nach draußen abzuducken. Die Tür zum ehemaligen Marktplatz hing so windschief in den Angeln, dass er daran zweifelte, sie würden sie aufbekommen ohne ein Geräusch zu machen. Da jedoch auch das Glas in den Fenstern fehlte, würden sie eben diesen Weg nehmen. Mit einer schnellen Bewegung war er draußen und duckte sich hinter einem Trümmerteil ab, um die Straße sorgsam zu beobachten. Dann erst machte er Ruby ein Zeichen, ihm nachzukommen.
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Patria